Barbados – Rundreise in einer Woche
Ich fühle mich wie überfahren. 5 Uhr morgens. Auf ins neue Abenteuer. Echt jetzt? Aufstehen? Nicht wirklich meine Zeit. Ich hadere innerlich mit meiner Last. Jaja. Last Minute ist nunmal kein Wunschkonzert. Trotzdem zu früh. Grummel. Die Stadt schenkt uns ein frühes Sonnenlächeln und stimmt mich milde. Stuttgart ist wohl Frühaufsteher.
Byebye Stuggi. Wir sind dann mal weg. Dachten wir jedenfalls. Erstmal aber sind wir über eine Stunde am Check-In Schalter. Nur drei Menschen vor uns. Wieso dauert es so lange? Wir finden es heraus. Der Flug hat Verspätung. Über eine Stunde. Wahrscheinlich ist der Anschlussflug in Miami weg. Peng. Geplatzt. Kein Sundowner in der Hängematte auf Barbados heute. Klingt maximal nach einer Dose Bier im Flughafenhotel von Miami. Ich ärgere mich. Wir haben doch eh nur 10 Tage. Ein ganzer Tag wird uns genommen. Einfach weg. Mein kostbarer Urlaub. Das ist doch nicht fair, denke ich. “Wären sie nur früher hier gewesen, dann hätte es noch einen Anschlussflug gegeben, auf den wir sie umbuchen hätten können”, lächelt uns die Check-In Lady leicht belehrend an. Ich lächle ebenso unauthentisch zurück und sage ihr innerlich, dass wir bereits über zwei Stunden direkt vor Ihrer Nase in der Minischlange standen und gerne stattdessen losgeflogen wären. Aber es hilft ja nichts, sie kann ja nichts dafür. Kann ich nicht ändern. Müssen wir wohl so nehmen. Wie habe ich es erst kürzlich gesagt bekommen? Nicht ärgern, nur wundern. Und so begeben wir uns beide stark wundernd in den Flieger nach Miami, hoffen noch auf den Anschlussflug, denn unser Gepäck hat Sonderstatus bekommen, um Zeit beim Transfer zu gewinnen. Eine neonfarbene Priorität-Banderole soll unser Gepäck als erstes vom Band rollen lassen.
Ab in den Flieger. Die neunziger Jahre lassen grüßen. Röhren-TV an der Decke, kleiner als unser Ipad im Rücksack. Antikes Rädchen zum Auswählen der drei Musikkanäle. Ich hoffe, die Technik im Cockpit ist wenigstens auf dem aktuellen Stand. Weitere Verzögerung des Abflugs. Das Cockpit hat wohl Probleme mit den Papieren. Eine weitere Stunde vergeht. Ruhiger Flug ohne Ablenkung von angesagten Kino-Blogbustern. Meine Schlafdecke ist so verdreckt und mit Haaren übersät aus dem Vakuumtütchen gekommen, dass ich lieber friere. 10 Stunden später sind wir da. Welcome to Miami. Ich muss mich wieder wundern. Diesmal ist die Ausstiegstreppe defekt und wir müssen weitere 20 Minuten im Flugzeug sitzen, bis Ersatz angebracht ist. Auf dem Weg zum Gepäckband entdecken wir einen Umschlag mit unseren Namen. Mit Tesa an eine Säule geklebt. Hierin finden wir erneut stark wundernd unsere Flugtickets für morgen früh und Gutscheine für eine Übernachtung mit Abendessen. Das quietschende Gepäckband geht insgesamt drei mal kaputt und muss jedes Mal von einem Trupp Handwerker repariert werden. Unser Priority Gepäck schafft es doch tatsächlich als letztes Stück auf das Rollband. Verwundert? Schon lang nicht mehr. Bus Shuttle zum Hotel. Es hält was die Zimmertür verspricht. Das Haargummi des letzten Gastes hängt noch an der Klinke. Es wurde sogar mit gestrichen. Abendessen de Luxe. 38 $ Voucher und eine Labberpizza im Körbchen. Das Bier müssen wir bezahlen, Gutschein gilt nur für Wasser. Da hilft doch wirklich nur Schlafen. Ich träume vom Meeresrauschen auf Barbados. Morgen…ganz sicher…morgen…
Guten Morgen Miami. Mal schauen, wie es heute mit uns läuft. Nach einem trockenen Frühstück finden wir uns am Flughafen ein.
Das Flugzeug trägt ein ähnliches Geburtsdatum, diesmal kleben auf den Klapptabletts sogar noch Tomatennudeln der Vorgäste. Wir haben diese Airline wirklich ins Herz geschlossen. Nach weiteren knappen 4 Stunden landen wir auf Barbados. Die schwüle Hitze taut meinen Klimaanlagen-Gefrierkörper langsam wieder auf. Fahrer Rodney hält unseren Namen hoch und lädt uns in seinen klapprigen Van ein. Nach einer kurzen Fahrt sind wir in unserem Apartment in Silver Sands angekommen. Die Housekeeperin Natalie empfängt uns und spricht so herrlich undeutlich Bajan Dialekt dass wir den WIFI Code viermal falsch eingeben, bis wir die richtige Zahl verstanden haben. Dann lehnen wir dankend ab, dass wir gerade keine Pommes Frites essen möchten, bis wir verstehen, dass sie uns zum Abendessen den FishFry Markt vorschlägt. Auspacken. Durchatmen. Wir sind endlich da. Unterkunft Inchcape Seaside Villa.
Welcome to Wonderland.
Guten Morgen Barbados. Wir haben gut geschlafen, das Meer hat die ganze Nacht wild gerauscht und uns in schöne Träume geschickt. Jetzt wird gefrühstückt. Wir sind nicht alleine. Ein Einsiedlerkrebs, ein Spatz, ein Kolibri und eine Katze bestaunen uns beim Essen. Im sauber glänzenden Mietwagen begeben wir uns auf eine kleine Entdeckungstour. Vorbei an Oistins Fish Fry, am ganzen unteren Zipfel der Insel entlang bis nach Bridgetown. Hier nehmen wir uns vor, definitiv noch die Tage einen kleinen Bummel zu machen, so schön wieder Hafen und die kolonialen Gebäude uns entgegen lachen. Am bekannten Carlisle Beach legen wir einen Strandstopp ein. Die ganze Inselbevölkerung scheint hier zu sein, es ist Samstag. Im Meer werden einige Schwimmkurse abgehalten. Ältere Damen haben sich Poolnudeln um den Bauch gebunden und treiben in der angenehmen Kühle des Salzwassers. Um halb zwölf wird es leer.
Wir halten uns an die Einheimischen und gehen aus der Sonne. Weise Entscheidung, denn wie sich abends herausstellt, hätte etwas mehr Äquatorsonne unsere Haut nahezu verbrannt.
Weiter hoch bis Speightstown, wo wir im Fisherman´s Pub eine Stärkung einnehmen. Frittierte Bananen, Maccaroni Auflauf und ein gekochtes Hühnchen schmecken ganz ok. Generell ist das Essen ziemlich fettig und uns fehlt ein wenig die Abwechslung. Alles frittiert, nie gegrillt. Aber wir wollen nicht meckern.
Neuer Morgen. Damit der freche Spatz nicht wieder durch die Küchenfenster einbrechen muss und sich über unsere Früchte hermacht, stellen wir ihm die Wassermelonenschale raus, während wir mit Smoothies und Brot in den Tag starten.
Heute geht es zur Mitte der Insel zu “Hunte´s Garden” einem botanischen Garten dem sogar spirituelle Kräfte nachgesagt werden. Doch wie es scheint, müssen wir auf diese Erleuchtung noch länger warten. Wir spähen durch das Gatter und können nur erahnen, wie schön es drinnen tatsächlich ist. Dann fahren wir eben weiter zum Animal Wildlife Reserve und schauen mal, was das so taugt. Überall sehen wir rausgeputzte Damen mit bunten Hüten und Schleifen zu den Kirchen eilen. Stimmt ja, es ist Sonntag. Wir finden etwas Regenwald, den wir bisher vergeblich gesucht haben. Alles stark gerodet und voller Zuckerrohr auf dieser Insel, daher umso schöner, wenn einem das satte Grün endlich mal entgegenlacht. Wir bekommen ein Kombiticket und dürfen erst eine echt ziemlich langweilige Telekommunikationsstation besichtigen. Immer tiefer geht es in den Regenwald hinein auf gut gebauten Stein-Trails. Wir schlüpfen in eine Fledermaushöhle und versuchen im dicken Dunkel ein paar der Bewohner zu erkennen. Zwei katzenartige Wesen rasen außen an uns vorbei. Viel zu schnell, um zu erraten was es war. Wir besuchen das Tierreservat und entdecken Hunderte von Schildkröten, Affen und anderen Tieren. Die Vögel sind als einzige eingesperrt und geben einen traurigen Anblick ab. Im Gebüsch blinzelt uns ein scheuer Geselle an. Was es ist, weiß ich nicht, sieht aus wie eine Art Hasenreh. Ich lasse mich aufklären, es ist ein Pampashase, ein Mara. Wirklich niedlich. Wir hören ein dumpfes Brummen und gehen dem Geräusch nach. Schnell haben wir den Lärmverursacher entdeckt, obwohl er doch so gerne ungestört wäre… Wir wollen natürlich kein Spielverderber sein und begeben uns auf die Weiterreise.
An der östlichen Küste entlang durch viele kleine Dörfer, bis wir in Bathsheba ankommen und uns ein leckeres Mittagessen gönnen. Ich habe “Delphin” auf dem Teller. Ersten Schock nach dem Entdecken auf der Karte überwunden, erinnere ich mich an den Reiseführer, der bereits vorab aufgeklärt hat, dass auf Barbados nicht der grau Flipper auf dem Grill landet, sondern ein MahiMahi Speisefisch. Lecker schmeckt er aber auf jeden Fall. Mir ist egal, wie er heißt.
Ein letzter Blick auf das tosende Meer, dann heißt es nur noch faul sein heute, denn die schwüle Hitze zwingt uns in die Knie. Der Spatz sitzt bereits in der Küche und wartet auf sein Frühstück. Er bekommt ein Apfelstück und darf sich draußen darüber hermachen. Dann setzt er sich auf den Gartenstuhl und beobachtet uns bei unserer Tasse Morgenkaffee. Erneut quälen wir uns durch den stockenden Verkehr um Oistins herum. Wer hier aktiv Autofahren möchte, muss vor allem eines können: Hupen.
Wir erstehen bei einem Strandverkäufer die wohl exklusivste, wertvollste Unikat-Kokosnuss von Barbados. So schmunzeln wir uns darüber hinweg, wie ein typischer Touri auf der ersten Urlaubsreise abgezockt worden zu sein. Im Supermarkt stocken wir die Vorräte auf und fallen wieder in Ohnmacht bei den Preisen. 1 Päckchen Schlabbertoast 10$. Wunderland ist ganz schön teuer. Im Wunderland ist außerdem plötzlich Regen angesagt; der Himmel ist schwarz und es hagelt Wasser vom Himmel in Strömen herab. In unserem Holzhäuschen klingt es so, als würde uns gleich das Dach vom Kopf fliegen. Ein riesiger Palmwedel kracht lauttosend herunter. Eine halbe Stunde später ist alles vorbei.
So fahren wir weiter zum Dover Beach. Ein großer Parkplatz. Viele kleine Imbissbuden. Touris laufen über die Straße. Vorne am Strand nur Strandliegen gegen Gebühren, Strandverkäufer, Surfschulen, Alkoholausschank. Auf den 100m vom Auto werden uns Sonnenschirme, Essen, Hochseefischen, Drinks und selbstgebastelter Schmuck angeboten. Pfui. Viel zu viele Touristen. Nichts für uns. Nichts wie weg. Hm. Rush Hour Zeit. Eine Straße zwingt uns nach jedem Ausflug ewig im Schneckentempo durch die Straßen zu schleichen. Wir nutzen die Zeit und gehen eine leckere Waffel essen. Tatsächlich stecken wir im Anschluss trotzdem noch eine ganze Stunde im Verkehr fest. Zeit genug, all die bunten Häuser zu betrachten, manche frisch gestrichen, modern gebaut, andere leicht Salzluft zerfressen oder gar leerstehend. Vorbei an kleinen Läden und Ateliers. Wir werfen einen Blick auf die Luxusunterkunft der Stars. Eine Nacht an die 1000 €. Es sieht aber auch wirklich traumhaft aus und ist von einem riesigen Park umgeben. Doch nichts toppt unser Lieblingshaus. Ein kleines zerfallenes Holzhäuschen in unserer Straße. Wunderschön, was das Wetter und die Zeit aus diesem kleinen Ding gemacht hat. Darin wohnen möchte ich leider trotzdem nicht, bin nicht sicher, ob es noch einen Sturm aushält.
Letzter Strandtag. Morgen wird der Mietwagen abgeholt. Um auf Nummer sicher zu gehen, fahren wir zum Carlisle Beach, da wissen wir, was wir haben. Leider hat der Wind nicht abgenommen und es bläst uns so viel Sand ins Gesicht, dass ein Hinlegen nicht Auszudenken ist. Dafür ist das Meer nahezu perfekt. Glasklar und völlig flach liegt es vor uns und wir schwimmen, bis mir die Arme brenne. Zeit für einen Ausflug nach Bridgetown. Geschäftig eilen alle durch die Straßen, kaufen an den kleinen Ständen Obst und Gemüse ein und Schulkinder befinden sich trödelnd auf dem Heimweg. Im Hafenwasser entdecken wir eine Schildkröte, leider bin ich zu langsam und das Tier taucht bereits ab, bis meine Linse scharfgestellt ist. Wir marschieren zum Parlamentsgebäude und versuchen den nervigen Klingelton des Eiswagens zu ignorieren, der durch die Lautsprecher des Vans dröhnt und ein fieses Klirren im Ohr verschafft. Es ist eine Mischung zwischen synthetischer Orchesterkapelle und Tecno Beat. Eingebettet in eine historisch koloniale wunderschöne Altstadt. Paradox. Wie hält der Verkäufer das aus? Bestimmt ist er taub. Zumindest irgendwann geworden. So bummeln wir weiter durch die Straßen, vorbei an den Schiffen und kleinen Cafés, vor bis zum Parlamentsgebäude. Leider hat einiges zu und wir können uns keinen Café am Hafen gönnen. Das entschädigen wir später mit einem typischen Barbados Essen. Frittierter fliegender Fisch. Erschöpft landen wir später auf unserem kuscheligen Sofa.
Der letzte Sonnentag entfällt. Es stürmt. Und stürmt. Palmen biegen sich bedrohlich, Wellen klatschen laut ans Ufer. Wir haben kaum geschlafen. In dem kleinen Holzhaus hört man jeden Grashalm knicken und man rechnet jede Sekunde damit, dass der Wind alles davon weht. Aber auch diese Nacht geht vorbei und unser Haus steht noch. Ein leichter Sturm geht aber auch durch diesen Tag. Wir stärken uns mit Waffeln und einem Saft, bei dem ich zum Glück erst hinter her erfahre, dass es Rote Beete ist. Mit Ingwer geschärft tatsächlich echt lecker. Der Mietwagen wird abgeholt. Rucksack packen. Das war´s. Früh ins Bett, um fünf in der Früh holt uns Rodney ab. Die Hinreise schien nicht übertreffbar, aber wir sitzen erneut seit Stunden am Flughafen fest. Flieger defekt. Es tritt wohl Gas aus. Sehr beruhigend. Ständig werden Namen ausgerufen. Die Maschine ist völlig überbucht, es kann nicht jeder mitfliegen. Die Stimmung ist gereizt unter den gestrandeten Urlaubern. Der Flug ist ruhig, leider können wir das mitgebrachte Zugticket nicht aus dem Automaten lassen, da keine Buchung veranlasst wurde. Bezahlt haben wir sie aber. Wir fahren mit unseren Buchungsunterlagen und hoffen auf einen Schaffner, der uns glaubt. Genau diesen treffen wir. Vielen Dank. Völlig übermüdet überstehen wir die letzten Stunden bis zur Haustüre. Eine Dusche belebt uns wieder und nach ein paar Mützen nachgeholten Schlafes im eigenen Bett, kann uns der Alltag wieder haben. Wir sind bereit.